Spiral Dynamics Orange

Einer wird gewinnen

“Die tatsächliche Zielsetzung ist aus dem Verhalten abzuleiten, nicht aus Rhetorik oder Absichtserklärungen.”
– Donella H. Meadow | Die Grenzen des Denkens

Das Leben ist Jetzt, sagt Orange. Der Himmel kann warten. Das irdische Leben ist reich und hat was zu bieten. Ich ergreife die Gelegenheit, ich erschaffe. Orange streift die Enge ab, Orange will Freiheit. Ist Freiheit. Die Freiheit des Einzelnen.

Orange will Erfolg um jeden Preis. Persönlichen Erfolg. Dafür ist Orange auch rücksichtslos. Rücksichtslos gegen Mitspieler, rücksichtslos gegen sich selbst. Für Orange geht alles. Muss alles gehen. Alles hat seinen Preis. Geht nicht gibt’s nicht. Wenn es das noch nicht gibt, muss es eben erfunden werden.

Orange glaubt an das ewige Wachstum. Daran alle Beschränkungen und allen Aberglauben überwunden zu haben. Orange durchdringt die Dinge, will die Dinge durchdringen. Wir werden der Welt das letzte Geheimnis entreißen. Für Orange besteht die Welt nur aus Dingen. Es reduziert die Dinge auf Input und Output.

Orange ist Reduktionismus. Orange ist fertig mit den Göttern aus Purpur und Rot und dem blauen Gott der vergangenen Religionen. Jetzt hat alles seine Ordnung. Das Gehirn erzeugt das Bewusstsein. Nicht umgekehrt. Liebe ist eine Kombination aus Oxytocin, Serotonin und Pheromonen. Alles andere ist Sentimentalität.

Du bist der Schöpfer deiner Welt, sagt Orange. Wenn dir was gefällt, nimm es dir! Du musst es nur wollen. The Winner takes it all.

Orange hat dem Glauben seine Macht genommen. Es hat Gott vom Thron gestoßen und hat sich selbst drauf gesetzt. Das Individuum über alles! Orange hat alle Tabus gebrochen und bricht sie noch. Orange pfeift auf Moral und Ethik. Wir lassen uns nichts mehr erzählen! Lasst es uns aufschneiden und hineinsehen.

Orange kann dir moralische Reden halten, über Gemeinschaft und die Kraft der Solidarität. Beim Händewaschen zwinkert es sich selber zu. “Wir waren wirklich gut heute.” Orange lernt schnell und wendet an, was es wo anders als Vorteil erkennt.

Orange will gewinnen um jeden Preis. Dafür setzt es alles ein. Der Pokal, die Million, die Spiegel-Bestsellerliste. Orange will wirklich besser werden. Orange zeigt dir, dass alles geht. Begrenzungen sind nur in deinem Geist. Ändere dein Denken, und du änderst die Welt. Erwecke den Riesen in dir!

Orange sieht die Welt durch einen Tunnel. Es muss die Welt so sehen. Du darfst dich nicht ablenken lassen auf dem Weg zum Ziel. Orange blendet aus, was nicht auf der Zielgerade liegt. Das große Bild stört nur. Was schert mich der Wald, wenn ich den Baum will.

Orange will Reize. Anreize. Was krieg ich dafür? Was ist drin für mich? Alles ist Konkurrenzkampf, alles ist Vergleich. Frau und Mann, Barbie und Ken. Der Testarossa ist nicht für mich. Er ist für meine Nachbarn. Wir sind im Krieg hier, im Krieg um Geltung und Schein.

Orange widerruft nicht. Orange weiß. Und wer weiß muss nicht glauben. Und wenn ich brennen muss, die Erde dreht sich um die Sonne. Die Erde ist keine Scheibe. Gott ist kein alter weißer Mann, der Buch führt.

Orange schlägt seine 95 Thesen an die Kirche zu Wittenberg. Orange sorgt dafür, dass jeder Bauer lesen lernt. Orange legt sich mit Päpsten an und reformiert Kirchen. Orange kann authentisch sein und unbeirrbar.

Orange begradigt Flüsse. Orange packt Mandarinen in Plastik ein. Orange fliegt für ein Meeting nach Kapstadt. Orange rodet Wälder für Windräder und Tagebaue. Orange pflanzt Mais für Biogasanlagen. Orange verfüttert Soja aus dem Regenwald an Kühe in den USA.

Orange rottet Krankheiten aus. Orange will die totale Gesundheit. Orange rettet Leben im großen Stil. Jeder Infizierte ist einer zu viel. Orange kennt keine Kollateralschäden, dafür ist sein Fokus zu eng.

Orange ist die Natur suspekt. Sie ist ein Mittel zum Zweck. Ein Krümel auf dem Objektträger. Etwas, das verbessert werden muss. Natur ist unscharf und unberechenbar. Unsere menschliche und die da draußen. Etwas ist größer als die Summe seiner Teile. Das macht Orange verletzbar.

Für Orange ist die Natur unperfekt. Weil Orange die Dinge nur isoliert betrachtet. So übersieht es die Perfektion des Zusammenspiels. Die Abgestimmtheit der Dinge im Großen. Das Große kann Orange nicht sehen. Orange sieht planbare Teilziele. Nur das Chart am Ende des Horizonts.

Orange ist das Macher-Level. Das Level, das uns unsere Wirtschaft und unseren Erfolg in der Welt sichert. Orange ist das Feuer, das uns wärmt und verbrennt zur gleichen Zeit.

Wir hätten den technischen und wirtschaftlichen Erfolg in unserer westlichen Welt nicht, wenn es das Orange Mem in seiner Ausprägung nicht gebe. Orange hat eine sehr individualistische Konnotation; es gibt die ganze Macht an den Einzelnen. Es ist die Ausprägung des Egoismus wie wir ihn uns buchstäblicher nicht vorstellen können. Und gleichzeitig hat Orange all das geschaffen, weswegen all die wunderbaren technischen Möglichkeiten existieren, mit denen wir uns in Echtzeit Kontinente übergreifend sehen oder von überall auf den Welt Medieninhalte abrufen können.

Orange gibt es seit ungefähr 500 Jahren. Es entstand mit der Aufklärung. Und doch war es nicht die Aufklärung, sondern das Alte Griechenland, in denen die ersten Blüten auftauchen. Und zwar mit Sokrates, Aristoteles oder Platon, um exemplarisch ein paar Namen zu nennen. Hier bildeten sich in einer ROT/Blauen Welt die ersten Spikes ins Orange. Forscher des Geistes die versuchten mit scharfem Verstand – Rationalität – die Wirklichkeit zu durchdringen. Zurückgebildet haben sie sich durch die instabilen Roten politischen Bedingungen. Rote Reiche neigen immer wieder dazu zu kollabieren, sie expandieren permanent und werfen Truppen und Ressourcen an die Grenzen oder Fronten.

Dabei entsteht ein Vakuum an Mitteln und Menschen im Zentrum. Das Reich kann gar nicht so schnell nachproduzieren wie gebraucht wird. Dadurch kollabieren sie und müssen sich wieder verkleinern, bis sie ganz verschwinden. Durch diese Regresse verschwanden auch die ersten Orangen Errungenschaften wieder. Erst im späten Mittelalter waren die Voraussetzungen günstig, ganz Fuß zu fassen und über die letzten 500 Jahren zum führende Mem zu werden. Wer wären wir, wenn das Griechische Reich nicht in sich zusammengefallen wäre? Wenn sie stattdessen das Sprungbrett für eine weltumspannende Zivilisation geworden wären? Wohin hätten die 2000 Jahre Vorsprung vor unserer westlichen Wertewelt geführt?

Orange kam also vor 500 Jahren mit der Aufklärung wieder aus der Versenkung. In unserem Sprachraum ganz eng mit zwei Gestalten verbunden, Johannes Gutenberg und Martin Luther.
Johannes Gutenberg hat mit seiner Buchdruckmaschine ein neues Paradigma eingeläutet, ähnlich der Erfindung des Internets. Jedes Pamphlet, jede Übersetzung konnte durch den Buchdruck in Windeseile vervielfältigt und unter die Leute gebracht werden. Das ist die Grundlage für Martin Luthers Erfolg, und warum seine Ideen sich so rasch verbreiteten.

Martin Luther hatte 1482 die Bibel ins Deutsche übersetzt, nachdem er zu Wittenberg seine 95 Thesen an die Kirchentür geschlagen hatte. Sein Anliegen war es, dem einfachen Volk Zugang zu Gott zu gewähren, ohne den Umweg über die Vertreter Gottes auf Erden gehen zu müssen. Sein Ansatz war, dass die Menschen Gottes Wort doch viel besser verstehen können, wenn es ihnen möglich ist, sein Buch selbst zu lesen. Was unter anderem dazu führte, dass überhaupt mehr Menschen anfingen zu lesen.

Luther übersetzte aber nicht nur die Bibel, er kritisierte die katholische Kirche im Allgemeinen und den Ablasshandel im Besonderen. “Wenn der Heller im Beutel klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt.”, das war die dem Ablasshandel zugrunde liegende Philosophie. Luther prangerte das an. Er wollte, dass die Beziehung zu Gott kein Geschäft ist. Was daraus folgte war der Bauernkrieg, dann der 30 Jährige Krieg und die gesamte Umwälzung Europas. In Kunst und Kultur fand diese Veränderung Ausdruck in der Renaissance begleitet von technologischen Erfindungen wie der Dampfmaschine die in der Produktion von Gütern rasende Fortschritte brachte und einen Großteil des Arbeitens von Handbetrieb auf Maschinen umstellte.

Die Wissenschaft ist eine typisch Orange Erscheinung. Angetrieben von der Frage, was die Dinge sind, wie sie funktionieren. Der Wunsch danach, Gegebenheiten nicht mehr nur einfach hinnehmen zu müssen, nicht mehr nur zu glauben, nur weil die Religionen einfache Antworten als Dogma hatte, sondern herauszufinden, wie sie wirklich sind. Einen sehr lebendigen Eindruck davon gibt der Roman “Der Medicus”, der auch sehr spannend verfilmt wurde. Im Mittelalter gab es neben Ärzten sogenannte Bader, Menschen die sich aufs Bart stutzen genauso verstanden wie auf Zähne ziehen oder Schlangenöl verkaufen.

Der Protagonist dieser Geschichte wird Bader, weil seine Mutter an einer häufig auftretenden Krankheit, der Seitenkrankheit, dahingerafft wurde. Unserem Helden reicht die Erklärung nicht, das man etwas nicht heilen könne, von dem man nicht weiß was es ist, und das es Gottes Wille ist, wenn jemand jung stirbt. Also macht er sich auf Antworten auf seine Fragen zu suchen und beginnt seine medizinische Ausbildung bei einem alten Bader. Als dieser erblindet, findet er jemanden, der ihn darin ausbildet, das Auge zu operieren, und er macht so den alten Bader wieder sehend. Fasziniert jedoch bleibt er von der Geschichte eines Menschen in einem fernen Land, im Orient, der noch mehr als die Operation des Auges beherrscht. Er möchte dort in die Lehre gehen.

Dort, an der Schule des großen Meisters, ist er enttäuscht davon, dass die Seitenkrankheit auch hier nicht geheilt werden kann, auch wenn der große Meister das Auge, ein außen liegendes Organ heilen kann, so verbietet ihm der Koran den Menschen aufzuschneiden, um in das Innere Vorzudringen. Unser Held akzeptiert das aber nicht, operiert unter Gefährdung seine Lebens heimlich an Leichen und findet den Blinddarm, die Ursache für die Seitenkrankheit. Das ist Orange Wissbegier.

Orange geht über Konventionen und Beschränkungen hinaus und lässt sich weder von Purpurnen Tabus noch Blauen Regularien aufhalten. So zum Beispiel auch Marie Curie, die die Radioaktivität gefunden hat, oder Gottlieb Daimler, der einen Benzin betriebenen Verbrennungsmotor erfunden hat, den er kühn auf eine Kutsche schraubte. Lauter Menschen, für die “Geht nicht gibt’s nicht” gilt, und die ihr Leben riskierten, um ihre Forschungen zu betreiben.

Zum einen ist da immer die Frage, fliegt es mir um die Ohren, was ich hier gerade erfinde und zum anderen ist es immer die Gefahr des Ketzertums, der man sich ausgesetzt sah. Und wir hören ja heute immer wieder “Glaube der Wissenschaft”, wobei “die Wissenschaft” mittlerweile den Status einer Religion angenommen hat. Der Satzbeginn “Wissenschaftler haben herausgefunden” ist die Hypnose, die kritisches Denken einlullt. Dabei gibt es widerstreitende wissenschaftliche Meinungen auf nahezu jedem Gebiet Und dass sich bei einer Streitfrage der Großteil der Wissenschaftler einig sind, heißt nicht, dass die Minderheit im Unrecht ist. Orange nutzt jedoch diesen Religionsstatus, denn das Streben nach Gewinnen und Erfolg umfasst nicht nur wissenschaftliche Erfindungen und Patente, sondern auch das Geld, das man damit machen kann.

Der Status Quo auf allen Wissensgebieten verändert sich jedoch mit der Zeit. So war der Atomkern vor Jahren noch etwas festes, wer etwas anderes behauptete konnte sich nur täuschen, heute weiß man, wie durchlässig dieser Kern ist. Viele Ketzer wurden mit den Jahren rehabilitiert und dennoch ist “Vertraue der Wissenschaft” nahezu dogmatisch gesehen, so wie es Weltbilder der Religionen vor wenigen Jahren noch war. Drum müssen wir davon ausgehen, dass das was wir heute für “the state of the art” halten in wenigen Jahren überholt ist, wir es besser wissen, und zum Beispiel Menschen wie Mai Thi Nguyen-Kim (Science Youtuberin und Moderatorin) angesichts dessen, was wir dann wissen widerrufen müssen. Aber nicht weil ein Glaube oder ein Dogma es gebietet, sondern einfach weil wir es dann besser wissen. Orange Wissenschaft ist in der Lage, sehr spitz in ein Problem einzudringen, oft fehlt ihr aber der verbindende Blick auf das Ganze, um wirklich verbindliches Wissen abzubilden. Dadurch entstehen nur sehr enge Sichtweisen und Korridore auf die Wirklichkeit.

Orange ist bestrebt, die Welt zu entmystifizieren. Alles was in Purpur oder Rot noch Bedeutung hatte und animistisch aufgeladen war, dass wird nun auf Bits, Bytes und Atome reduziert. Orange erschafft einen Reduktionismus, in dem allein der menschliche Wille unsere Geschicke lenkt, die Ratio, und alles was nicht rational erklärbar und nachvollziehbar ist, ist nicht existent. Nicht berücksichtigend wie oft sich die Wissenschaft schon selbst widerlegt hat, und das was nicht erklärbar ist nur NOCH nicht erklärbar zu sein scheint.

Orange hat im Prinzip Freude daran, Blau (und allen vorangegangenen Memen) zu beweisen, dass es diesen alten, mythischen, einengenden Gott nicht gibt. Und das ist gut, wenn wir Orange als eine Möglichkeit sehen, die Welt zu betrachten. Umgekehrt wird diese Sicht, wenn sie sich für die einzige Wahrheit hält eben auch dogmatisch, weswegen sich, Gott sie Dank, darüber weitere Meme gebildet haben, die uns aus dem nerdigen Blickwinkel lösen. Das sind die postrationalen oder auch transrationalen Sichtweisen, die Orange als eine Stufe, einen Erkenntnisweg ernst nehmen, und gleichzeitig über ihn hinausgehen, ihn transzendieren. Für Orange ist das buchstäblich undenkbar, es sieht bei transrationalen Sichtweisen nur das, was überwunden scheint, Aberglaube, Mummenschanz und Esoterik.

Orange ist extrem durch persönlichen Erfolg motiviert. Wir haben das nicht nur in der Wissenschaft, wo um die Reihenfolge der Namen bei Veröffentlichungen gestritten wird. Zuerst wird der Institutsleiter genannt, womit es seine Veröffentlichung ist, zuletzt der Doktorand, der das Ding geschrieben und die maßgebliche Arbeit gemacht hat. In der freien Wirtschaft ist das ähnlich, überall herrscht Gerangel um die ersten Plätze, um Titel, Orden, Frauen oder Preisgeld. Orange liebt also die Insignien des Erfolgs, Hauptgewinn ist jedoch der Erfolg an sich. Autos, Rolex Uhren, Pool am Haus, Yachten, Luxushotels, eigener Gärtner. Je nachdem, auf welchem Level man sich befindet, und wer beeindruckt werden soll. Auch Männer und Frauen sind sich nicht zwangsläufig in Liebe zugetan, sondern Trophäen, mit denen man sich gerne zeigt. Äußerlichkeit hat einen hohen Stellenwert. Keiner mag es Golf zu spielen, aber alle spielen mit.

Ein persönlicher Bekannter, einst erfolgreicher Wirtschaftsprüfer, mit Kanzlei und Penthouse an der Außenalster, kaufte sich Anfang der 90er Jahre einen der ersten BMW 850i. Eines Tages hält neben ihm der gleiche Wagen. Mein Bekannter schaut nach rechts und denkt sich, boah, der hat geschafft. Gerade nicht realisierend, dass er selbst in der gleichen Position ist, am gleichen Punkt im Leben. Auf dem gleichen Level von Aggregation von Materie. Für ihn war das ein Wendepunkt. Nun habe ich all diese äußerlichen Dinge erreicht, stieg es in ihm auf, aber innerlich fühle ich überhaupt nicht dort angekommen zu sein. All diese Insignien, die mir so wichtig waren, scheinen überhaupt nicht zu mir zu gehören.

Heute ist er Trainer für Unternehmer, die ihr tun auch mehr mit Sinn erfüllen wollen, statt ständig einem neuen materiellen Ziel nachzuhecheln. Sei es eine Vergrößerung, eine neue Produktpalette, eine Fusion oder das neueste Modell ein Sportwagens.
Und das ist der Schatten von Orange. Immer wieder neu von einem Ziel zum nächsten unterwegs zu sein, immer gibt es einen, der schon weiter ist, und doch scheint nichts davon glücklich zu machen oder zu erfüllen.

Burnout ist eine Orange Erscheinung, wie das was es zum Glück braucht, mit dem, was Orange anstrebt, nicht erfüllt werden kann. Aber dadurch, dass Orange alles rationalisiert, auf Materie reduziert und ihm dadurch jeglichen Zauber und damit auch Sinn entrissen hat, wird es Erfüllung auf dieser Ebene auch nicht finden. Die Religion des “Immer mehr”, der unsere gesamte westliche Wertewelt angehört, scheint nun endlich, und nicht mehr ohne menschliches Miteinander, erfüllend. Orange ist nicht nur auf der persönlichen Ebene, sondern global als Gesellschaftsform an den “Grenzen des Wachstums” angekommen.

Orange ist asozial im Bezug auf andere Menschen, die nicht auf dem gleichen Level sind. Bei den Menschen, die es nicht schaffen, die am Wegesrand liegen bleiben, haben Vertreter in Orange das Gefühl, ok, die haben sich einfach nicht genug angestrengt. Die waren zu faul. Auch ich habe mich vom Tellerwäscher zum Millionär nach oben gearbeitet. Orange ist der amerikanische Traum. Jeder kann es schaffen. Just do it!

Orange ist auf dem Weg zum Ziel nicht wirklich beziehungsfähig. Echte Bindungen lenken nur ab. Menschen sind Werkzeuge, um dorthin zu gelangen, wo ich hinwill. Menschen sind Buddys für einen gewissen Abschnitt des Weges, sind aber ersetzbar. Menschen, mit denen Hochphasen zelebriert werden können, die aber auch einfach fallen gelassen werden, wenn etwas attraktiveres auf der Bildfläche erscheint.

Orange ist ein Ich-Meme, also gehen die Individuen ihren Weg allein. Erst nach dem Exzess, in der Krise beginnt sich Orange für andere zu öffnen, und ist dann auch bindungsfähig. Spannend ist in diesem Zusammenhang auch die ganze Selbsthilfeindustrie. Tony Robbins (Selbsthilfe Guru, “I’m not your Guru.”) ist so ein Beispiel. In der krassen “Erwecke den Riesen in dir”-Phase der Neunziger, wo alle noch mit ausgestelltem Schulterpolster herumgelaufen sind, ging es darum, gute Verkaufsabschlüsse zu erreichen, die 1. Million zu gewinnen.

Dafür wurden Unmengen NLP-Bücher geschrieben, um das eigene Leben “umzuframen”, um andere Bedingungen einzuladen. NLP ist im Übrigen das Orange Tool No.1 mit dem man das Mindset versucht zu ändern. Mit den Jahren bilden hohe Preise und Rekord-Volle Hallen zwar noch den Hintergrund bei Tony, aber auf den Veranstaltungen geht es viel menschlicher zu, es geht um Sinn und Glück und deren Wert. Es geht nunmehr darum, mit dem eigenen Potential etwas zu erreichen, die Ziele haben sich aber nun mehr auf das Menschliche verlegt.

Orange und seine Art zu leben hat uns natürlich mit seiner Lebensart das eingebrockt, was wir heute die ökologische Krise nennen, und die wir auch als die Krise der westlichen Welt sehen können. Und am Ende ist es ein Spiegel dafür, wie sich der Mensch in Orange selbst behandelt. In Japan gibt es den Tod durch Überarbeitung, sein abgeschwächter Begleiter ist der Burnout. Wer sich selbst so stark ausbeutet, der beutet eben auch alles andere aus. Als Ausgleich gibt es dann die Selbstoptimierung, einen Vertreter dafür haben ich oben schon genannt. Da wird dann zwanghaft Sport und Zeitmanagement betrieben, um “resilient” auf die Anforderungen eingehen zu können.

Orange hat überhaupt keine Skrupel den Antlitz der Erde an sein Verständnis von der Welt anzupassen. Wir sehen das von McDonalds über Amazon, Nestle oder Bayer. Das Ziel ist es, alles wie kleine Fabriken schnurren zu lassen. Alles befindet sich in einem dauerhaften Optimierungsloop. Da unterscheidet sich der Getreidehalm in nichts vom Menschen, was die Ernährung angeht, wird über Nutrition geregelt. Alles Essenzielle drin? Gut! Chemische Düngung, chemische Nahrung, bei Krankheiten gibts Insektizide, Pestizide oder Impfungen.

Da Orange keine Seele kennt, wird auch keine Seele in der Heilung mit einbezogen. Oder wieder nur in reduktionistischer Form. Dann ist die Seele das Zusammenspiele von Hormonen, Neurotransmittern und Erinnerungen. Auch etwas, das chemisch wunderbar in die Griff zu bekommen ist. Eine ganze Industrie lebt unter anderem davon. Und so wie der Mensch in der Überoptimierung langsam ausbrennt, so brennt er alles aus und ab. Orange ist das Feuer, das uns wärmt und verbrennt gleichzeitig.

Orange tut all das jedoch nicht, um die Erde kaputt zu machen. Das ist ein blöder Nebeneffekt, den es glaubt bei der nächsten Optimierungs- und Fortschrittswelle mit beheben zu können. Orange möchte das süße Leben. Es will, dass wir das Leben genießen. Das wir alles erschaffen, alles haben, und uns an allem laben können. Orange findet das Leben toll, und so wie es die Probleme geschaffen hat, wird es auch die Lösungen für diese Probleme ersinnen. Wir müssen nur optimistisch sein, und dem Fortschritt vertrauen. Hier haben wir dann die Tech-Religionen, die Ideologie im Orangen.

All die tapferen Wissenschaftler, Unternehmer, Trainer, Erfinder hatten immer nur die Verbesserung des Lebens im Sinn. Jede Erfindung wurde immer von Euphorie begleitet, ein Stück zur Vervollkommnung des Menschen beizutragen. Vieles wurde zum Besten geschaffen und konnte dann irgendwie korrumpiert werden. Orange selbst würde jedoch immer so weitermachen. Wenn eine Erde nicht reicht, dann muss eben eine neue erfunden werden. Alles was das Leben bisher nicht verbessern konnte, wird demnächst erfunden werden, da ist sich dieses Mem sicher.

Willkommen in der Welt des Tech-Gottes. Bald brauchen wir keine Felder und keine Landwirtschaft mehr, das Essen kommt aus einem Generator, fertig zubereitet, die Turnschuhe kommen aus der Mikrowelle. Dann können wir die Erde auch in Ruhe lassen, der Regenwald erholt sich, Kohlendioxidwerte gehen zurück, kein Problem mehr. So würde es Orange lösen. Nur noch ein paar Jahre Forschung, dann ist es so weit. Alle Probleme abgeschafft! Aber jetzt brauchen wir die seltenen Erden, die Edelmetalle, das Öl und die Kohle. Wir brauchen sie, um die schöne neue Welt erschaffen zu können!

Literatur und Quellen zu Spiral Dynamics

Filme zu Spiral Dynamics Second Tier

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