Das punktuelle Equilibrium

von | 9. Okt 2023

In der Systemforschung gibt es einen spannenden Begriff, der den Zustand unserer Welt ganz gut beschreibt. Das punktierte Equilibrium. Ich versuche es hier mal mit einer Deutung, weil es jeden von uns zum Akteur macht.

Jedes System neigt eigentlich zu Stabilität. Da ist sowas wie eine innere Schwerkraft, ein Magnetismus, der die Dinge zusammen und am Laufen hält. In dem Moment, wo diese Stabilität gefährdet wird, haben wir immer wieder Strömungen, die versuchen, das alte Gleichgewicht wiederherzustellen. Aktuell können wir sagen, dass unser System, die westliche Ordnung durch Corona, Klima und Ukraine-Krise, angeschlagen ist. Eine neue, rigorosere Politik, die stark vom grünen Meme (das grüne Meme arbeitet Parteiübergreifend) angetrieben wird, deutet das System in eine bestimmte Richtung um. Aber weiterhin mit den Mitteln, die uns schon bekannt sind. Ein hipper Sozialismus soll das Heil bringen und uns vor drohendem Weltuntergang retten. Ich muss hier wieder Einstein zitieren, wir erwarten bessere Ergebnisse vom immer gleichen.

Besonders wir Deutsche haben hier einen geteilte Erfahrungshorizont: die einen drehen die Augen in die Stirn, weil sies schon kennen, die anderen denken, dass das jetzt die Lösung ist, weil Opa der schon immer in der SPD war, Bergmann, tief im Westen so begeistert davon schwärmte. Je stärker diese Sehnsucht nach neuer Gleichheit wird und Freunde findet, umso stärker ruft es die Gegenkräfte auf die Bühne. Blau tritt auf den Plan. Auch passt die Farbe wieder, als wäre das Spiral Dynamics-Handbuch zur Parteigründung vorher gelesen worden. Konservative Werte sollen das Ganze wieder richten, eine Rückbesinnung auf das Gute, das früher viel besser war. Verblüffend, wie wenig gesehen wird, dass das eine zum anderen führt, sondern das “Blaue Phänomen” als isoliertes Ereignis betrachtet wird, als wäre es spontan von der dunklen Seite des Mondes zurückgekehrt.

Also mäandert unser System zwischen diesen beiden Polen hin und her, und alle Kräfte sind darin gebunden, das Ganze zu kommentieren und ihm Aufmerksamkeit, Entrüstung und damit Stabilität zu geben. Das Empörium wackelt in sich, aber es steht! Und jeder, der für das Eine ist und gegen das Andere kämpft, sorgt dafür, dass alles beim Alten bleibt. Einfach eine Flussschleife mehr. Und doch sind wir uns doch einig, dass das nicht für alle Zeiten so weitergehen kann.

Das punktierte Equilibrium setzt nun den Sprengsatz an die richtige Stelle des unerträglichen Geeiers. So wie die gezielte Sprengung eines Wolkenkratzers lenkt, wohin der Koloss sich neigt, so beschreibt das punktierte Equilibrium die Lenkung eines kränkelnden Systems durch Intention. Es heißt, dass schon kleine Gruppen, die sich nicht an der Stabilisierung des babylonischen Turmes durch weitere Wellen der Empörung beteiligen, das Ganze dorthin lenken können, wo das Alte Humus für das Neue werden kann. Dafür braucht es nur zu wissen, was wir wirklich wollen, statt uns andauernd mit dem zu beschäftigen, was wir nicht wollen. Und wenn wir es nicht so genau wissen, die Orte aufzusuchen, wo das Neue in uns und durch uns entstehen kann. Wir werden es nicht erfahren, indem wir das schon Bekannte immer wieder aufwärmen und ihm neue Namen geben. Die Gesellschaft, so wie wir sie kennen, wird es nicht weiter für uns regeln. Das hatte sie nie, das war nur eine temporäre Illusion.

Wir leben in einer Zwischenzeit, und wir entscheiden, wohin wir schauen, wohin wir steuern. Ob wir Zerfall und Verfall von Werten sehen und wieder mal auf einen Weltuntergang zusteuern. Oder ob wir Potenz sehen, Räume, in denen Neues entstehen kann. Wirklich Neues.

Wichtig ist, dass wir es zusammen tun. Einmal pro Woche bieten wir online einen Kreis mit Bohmschen Dialog an. Diese Form der Zusammenkunft lädt uns ein, das, was wir über die Welt glauben zu wissen, an einen größeren Raum zu übergeben. Damit neues Denken fließen und die Welt durch uns entstehen kann. Das ist der Weg.

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner