Ohnmacht und Macht

von | 24. Jan 2024

Streit und Streitkultur

Am Wochenende hatten wir wieder die Gelegenheit, reichlich Dialog zu praktizieren. Eins der wichtigsten Themen, die sich herausgearbeitet haben, waren Streit und Streitkultur. Wir leben in einer Zeit scheinbarer Unüberbrückbarkeit von Ansichten und Meinungen. Was lange nur latent vorhanden war, zeigt sich seit ein paar Jahren unübersehbar. Wir liegen uns in ideologischen Grabenkämpfen gegenüber, die Fronten sind klar gezogen. Vor allem besteht das Gefühl der Unerreichbarkeit. Worte und Ermahnungen scheinen nicht mehr auf die andere Seite zu dringen. Wir verstehen uns einfach nicht und uns schwant, dass es sowieso keinen Sinn macht, hier in Verstehen und Verständnis zu investieren. Es ist alles gesagt. Wir verhärten, sprechen nicht mehr über alles, ziehen uns ins Private zurück.

Und natürlich kennen wir das nicht nur von gesellschaftlichen Themen, die uns auf die Straße gehen lassen. Wo auf jeder Seite für die gute, die richtige Sache aufgestanden wird. Es ist Teil von uns selbst. Wir erleben das im Kleinen überall in unserem Leben. In der Familie beginnt es und zieht sich in Auseinandersetzungen mit Kollegen, Kunden, Nachbarn. An irgendeinem Punkt ist Schluss. Wir wissen nicht mehr weiter. Wir lassen es stehen, um die Beziehung nicht zu gefährden. Gehen dem Elefanten im Raum aus dem Weg. Oder gehen getrennte Wege. Tiefe Gräben gibt es auch in Familien oder Freundeskreisen. Seit einiger Zeit noch häufiger. Und wenn ich mich ganz offen mit anderen austausche, dann ist da auch der Wunsch nach Gewalt. Als einziger Ausweg vielleicht. Ich möchte es in den anderen hineinprügeln, was ich mit Worten nicht auszurichten vermag. Als einziger Ausweg, als letztes Mittel. Gehen uns die Argumente aus, hauen wir drauf oder wollen draufhauen. In Familien durchaus üblich, ist es gesellschaftlich der Supergau.

Nervensysteme in Starre

Egal was es ist, die Trennung, der Rückzug, Gewalt, das zugrunde liegende Gefühl ist Ohnmacht. Wir glauben, wir können nichts mehr machen. Uns scheinen die Hände gebunden. Wir sind ausgeliefert. Machtlos. Etwas in uns erstarrt. Ist erstarrt. Wenn wir die Traumaforschung, Entwicklungstrauma, zugrunde legen, dann scheinen es unsere Nervensysteme zu sein, die in diese Starre gehen. Als Überlebensstrategie. Etwas, das wir schon früh gelernt haben. Irgendwie lernen mussten. Das frühkindliche Überlebensmuster der Starre aus Ohnmacht, wo immer man hinschaut. Straßen voller Ohnmächtiger. Kommentarspalten voller Ohnmächtiger. Wir sind viele!

Am Ende ist es die Ohnmacht in uns, der wir begegnen müssen. Egal wie viele Petitionen wir unterschrieben oder Schilder gemalt haben. Die Starre, das Ungesagte, das zurückgenommene, das, was uns wirklich auf die Schultern drückt und tief im System sitzt, muss Ausdruck finden. Barbara Biella übernimmt das mit ihren Aufstellungen. Wir definieren für uns, was das Gegenteil von Ohnmacht ist. Nicht für jeden ist es Macht. Ein zu großes Wort, zu aufgeladen, vielleicht zu negativ besetzt. Selbstwirksamkeit oder Wirkkraft sind moderne Worte dafür. Macht, in Watte gepackt. Macht kommt von machen, so sehe ich es. Wenn ich etwas tun kann, habe ich die Macht, bin ich ermächtigt, ermächtige ich mich selbst. Aber erst, wenn ich mich mit meiner Ohnmacht konfrontiert habe, wenn sie durchlebt und durchlitten ist. Dann gehe ich für meine Selbstermächtigung, und die Erstarrung weicht.

Auch durch das Ehrliche Mitteilen erlangen wir Stück für Stück unsere Macht zurück. Gibt das Nervensystem freiwillig seine Erstarrung auf und erlebt im Kontakt “Ich bin sicher”. Was uns einlädt, immer mehr aufzumachen. Mehr preiszugeben, mehr zu sagen, nicht im Rückzug zu verharren. Und das Verrückte ist, dass ich hier für mich selbst entscheiden kann. Als Individuum. Dass mich diese Freiheit weniger anfällig macht für Ideologien und Lagerdenken, ich nicht mehr der Masse hinterher muss, ich mich nicht mehr an die längere Schlange anstellen werde, weil sie mir sicherer erscheint.

Die Macht des Roten Memes

Wenn ich Macht in Spiral Dynamics verorte, dann entfaltet sie sich im Roten Meme. Hier entdeckt das Ego seine Wirkkraft. Ich kann machen! Befreit von den Tabus aus Purpur, der Rückwärtsgewandtheit mit Blick auf die Ahnen, bricht sich das Individuum hier Bahn. Triebhaftigkeit, Impulsivität und die Power of Now. Rot folgt keiner Masse, es will selbst herausfinden, seinen eigenen Weg gehen. Es scheut weder Wunden noch Rückschläge. Narben sind Auszeichnungen und es hat keine Angst davor, allein gegen die Meute zu stehen.

Unsere Gesellschaft hat zu wenig von diesem gesunden Rot. Denn neben all der Frische, Kraft und Kreativität ist Rot auch unbequem und laut. Es fordert Respekt für sich und sein Tun. Es will Anerkennung und braucht Bestätigung. Und all das haben wir uns abgeklemmt oder abklemmen lassen. Wir befinden uns aber nicht mehr auf der Stufe von Alexander dem Großen. Wir sind über Rot hinaus gewachsen und können es aus einer erwachsenen Perspektive betrachten. Wir können uns von oben nähern und uns nicht wie ein wütender Teenager von den Hormonen durchschütteln lassen. Wir müssen den gordischen Knoten nicht mehr mit dem Schwert durchtrennen. Wir sollten so weit gereift sein, dass wir das Gute aus Rot den höheren Memen zur Verfügung stellen, ohne uns von ihm überrumpeln zu lassen. Dort, wo wir Impulsivität und Tatkraft mit Weisheit ummanteln können und keine Angst mehr vor der Macht haben müssen. “Macht worüber” wird zu “Macht wofür”?

Am 3. und 4.2. werden wir uns ausgiebig mit dem Roten Meme beschäftigen. Wir wollen schauen, wo wir es in dir finden, es mobilisieren und ihm ein paar Betätigungsfelder aufzeigen. Wir finden den Parzival und die Kleopatra in dir und reichen ihnen die Hand.
“Wie du dir Feinde machst … und die Welt eroberst.” Eine Abenteuerreise durch Spiral Dynamics. Online Workshop.

Barbara Biella und ich sehen unser Seminar “Easy is Right” als einen Auftakt für viele schöne Folgetermine. Vom 13.06. – 16.06. starten wir mit “Beyond the Known” in Krefeld. Stay tuned!

Wie du dir Feinde machst ... und die Welt eroberst. Eine Abenteuerreise durch SD ROT

Spiral Dynamics Rot scheut sich nicht davor, die Führung zu übernehmen. Es steht für unseren Willen, diesen zu erkennen und auch durchzusetzen. Aus roter Sicht mit allen Mitteln. Das ist Teil unserer Lebenskraft. Doch Rot hat in unserer Gesellschaft nicht wirklich Platz. …

Die Zukunft des Lernens - Spiral Dynamics als ganzheitlicher Bildungsansatz

Dieser Vortrag bietet Einblicke in die Anwendung der Spiral Dynamics-Theorie in der Pädagogik und zeigt auf, wie sie zur Entwicklung eines dynamischen, integrativen und zukunftsorientierten Bildungsansatzes beitragen kann.
WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner