Die Macht des Bohmschen Dialogs – Council- statt Cancel Culture

von | 1. Aug 2023

Wenn es zur praktischen Anwendung des Bewusstseinsmodells Spiral Dynamics kommt, landen wir immer wieder in der Unternehmensberatung. Ich persönlich fremdele mit diesem meist orangen Schwerpunkt, weil ich ihn als zu reduziert, zu einseitig empfinde. Hier geht es mir zu sehr darum, wie Menschen in Unternehmen besser funktionieren, wie wir Unternehmen und Organisationen besser machen. Mir fehlt die Ebene des reinen Bewusstseins, das freiwillige Erforschen, der direkte Einstieg in den Geist. Auch war ich in meinem Leben viel zu wenig Mensch in Organisationen, um dafür eine Faszination zu entwickeln.

Auf der Seite der Bewusstseinsforschung, dort wo sich Menschen des Modells wegen mit dem Modell beschäftigen, gibt es dann wieder die reinen Integralisten, die nur in der Abstraktion leben, alles auf die Goldwaage legen und irgendwie blutleer und unlustig daherkommen.
Es ist wie aktuell in der Politik: mit dem einen Flügel kann man nicht, mit dem anderen Flügel will man nicht, dazwischen gibt es nichts, was wirklich sexy ist.

Die Frage ist, wie wir dieses Modell so benutzen, dass es hilft, Gräben zu überwinden und zu verbinden, was aktuell getrennt ist. Wo findet es seinen Platz, wo es ohne viel theoretisches Gedöns sichtbar werden kann, und ganz im integralen Geist, alles sichtbar und gleichzeitig existieren darf? Wo jeder eingeladen ist, in seinem Tempo durch den Bewusstseinsstrom zu surfen.

Der Bohmsche Dialog als Tool zu gemeinsamem Denken

Vor einiger Zeit habe ich im Rahmen einer Ausbildung zum Social Architect beim Center for Human Emergence an einem Prozess mitgewirkt, der mir als eine gesunde Mitte erscheint. Mit dem man Fragestellungen in Organisationen auf die Bewusstseinsebenen heben kann, dem Denken beim Denken zuschauen kann, Felder von Verstehen entwickeln kann, wo einfach nur Menschen ihrem Blickwinkel auf das Universum einen Raum geben können, ohne Recht zu haben oder Recht haben zu wollen oder zu müssen.

Der Prozess nennt sich Bohmscher Dialog, nach dem Physiker David Bohm, der diese Art der Zusammenkunft entwickelt hat. Ihm ging es darum, geronnenes Denken, “Thought”, in etwas Fließendes zu verwandeln – “Thinking”, damit sich Sichtweisen bereichern können, anstatt sich zu bekämpfen. Ähnliches forderte schon Buckminster Fuller, als er alle Substantive in Verben verwandeln wollte, um auf das Prozesshafte unseres Seins hinzuweisen. Auf eine Welt im Werden, in Veränderung, ohne Fixpunkte und ohne Ziel. Einfach Freude am Fluss der Dinge.

Bewusstsein in der Schwebe

In diesem Bohmschen Dialog werden (alle Theorie ist grau, man muss es machen) Sachverhalte, aufgeladene Themen in die Mitte eines Kreises gegeben, und jeder ist eingeladen, vom Herzen her über dieses Thema zu sprechen. Seinen Bewusstseinsinhalt zu entleeren, einzubringen, wie ein Ball, der aufgenommen werden kann, aber nicht muss. Dabei wird alles, was eingebracht wird, in der Schwebe gehalten. Kein Antworten, kein Widerlegen, sondern jeder legt seinen Scheit ins Feuer ohne eine Erwartung oder Richtigstellung an den anderen. Man kann spüren, wie der eigene Container zu diesem Thema immer größer wird. Auf mehreren Ebenen – oder Linien – , intellektuell, emotional, vielleicht auch moralisch. Ich kann spüren, wie sich mein Bewusstsein ausdehnt, mehr umfasst, Mitgefühl entsteht, wie ich einfach nicht mehr stur auf einem Standpunkt beharren kann.

Und hier machen wir dann einen Schritt in einen Raum, den Bewusstwerdung immer mit sich bringen kann: Heilung. An manchen Stellen fließen vielleicht Tränen, oder es wird ganz grau im Raum und schwer. Jeder kann den Elefanten in der Mitte spüren, doch keiner kann oder will ihn runterladen. Die Leute winden sich auf ihren Stühlen oder fangen an zu gähnen. Bis jemand seine Wahrheit ausspricht, die bisher noch gefehlt hat und ein vollständigeres Bild und Fließen entsteht.

Spiral Dynamics als Linse

Hier wird auch deutlich, wo sich SD Grün von Türkis unterscheidet. Grün sieht die Heilung als das Ziel solcher Prozesse im Fokus. Keiner verlässt den Raum, bevor nicht alles geheilt ist! Bevor nicht alles gut ist. Alle wieder lächeln. Für Türkis ist die Heilung, die Auflösung bestimmter Verknotungen ein Beiprodukt. Es darf passieren, doch es muss nicht. Ein Unwohlsein kann frei im Raum gehalten werden, ohne dass es geheilt, benannt oder betüddelt werden muss. Für Türkis ist das reine Bezeugen des im gegenwärtigen Bewusstseinsraum Auftauchenden genau so gut, wie dessen Heilung. Hier wird im Resonanzraum des Körpers einfach nur notiert: ah, hier ist eine Enge, ein Unwohlsein, ein Stau. Doch alles ist willkommen. Wir sagen freundlich hallo, zu allem was hier auftaucht, ohne es ändern oder loswerden zu wollen. Und dadurch, oh Wunder!, verwandelt es sich doch, wird weicher, wird integriert und ein willkommener Teil des Prozesses.

Für mich ist dieser Bohmsche Dialog die Fusion aus so vielem, was mich die letzte Zeit begleitet hat. Natürlich der praktische Ansatz für die Arbeit mit den Memen aus Spiral Dynamics, die alle ihr Auftreten in so einem Prozess haben. Man kann sie denken und sprechen sehen, ihren Antrieb und ihre Werte verstehen. Sie werden lebendig in diesem Prozess. Und jeder im Kreis erhält die Einladung für sein „Transcend and Include“. Wir sehen, auf wie vielen Ebenen wir antworten können und auch antworten.

Ehrliches Mitteilen – sich im Raum verorten

Meine persönliche Basis für diese Kreise ist das Ehrliche Mitteilen nach Gopal. Wir haben jetzt seit einem Jahr eine feste Gruppe, die sich einmal die Woche trifft und bezeugt, was jetzt gerade in uns lebendig ist. Denn dieses Gewahrsein von Körper, Emotionen und Gedanken in so einem Prozess hilft ganz bei sich zu bleiben und gleichzeitig seinen eigenen Resonanzraum für alle zur Verfügung zu stellen. Es hilft, sich immer wieder aus Geschichten zu entwirren und ganz Zeuge zu werden: aha, das passiert hier gerade in mir.

Und dann ist da Mike Hellwigs Radikale Erlaubnis, die mir durch den Bohmschen Dialog in einem neuen Licht erschienen ist. Sein Hallo! zu allem was auftaucht. Ein Ansatz, der nichts verändern will, und es aushält, die widerstrebendsten Anteile in uns an einem Tisch sitzen zu haben, ohne sich auf eine Seite schlagen zu müssen. Das könnte man fast als die Essenz des Bohmschen Dialogs betrachten.

Der Bohmsche Dialog zieht Kreise

Von den Councils der amerikanischen Indigenen über die Ritter der Tafelrunde bis hin zum Rat der Jedi sitzen Menschen (und ihre Freunde) in Kreisen, um Lösungen, Konsens und Verstehen zu finden. Dabei entstehen Räume und werden Stellen berührt, wo Debatten oder Inspirational Talks gar nicht hinkommen. Für mich ist diese Form des Miteinanders der nächste Schritt, um zu lernen, Verständnis füreinander aufzubringen und die Köpfe aus den Schützengräben zu nehmen, die in den letzten Jahren entstanden sind. Erwarte Wunder!

Wenn du Interesse am Bohmschen Dialog oder Ehrlichem Mitteilen hast, melde dich gerne bei mir für Termine oder mehr Information.

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